Demonstration gegen Wohnungsnot in Hamburg (28.5.2016)
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Immer mehr Menschen finden sich mit steigenden Mieten und zunehmender Verdrängung in den Städten nicht mehr ab. Um den Diskussionen zu diesem Thema ein Podium zu bieten, hatte sowohl die Bundestagsfraktion als auch die Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft zum »5. Mietenpolitischen Ratschlag« in die Hansestadt eingeladen. »Unglaublich viel wert« sei die vielerorts entstehende Mieterbewegung, betonte Caren Lay am Sonnabend im Hamburger Rathaus bei ihrer Begrüßung.
In die Debatte um die Mietenpolitik sei Bewegung gekommen, erklärte Lay. Ausdruck dessen seien die »deutlich radikaleren Vorschläge«, die mittlerweile auf dem Tisch lägen. Sie verwies auf den in Berlin vom »rot-rot-grünen« Senat geplanten »Mietendeckel«, eine Regelung zum Einfrieren der Mieten für fünf Jahre. Gegen diese Maßnahme laufe die Immobilienbranche Sturm. Auf die seit Monaten zu vernehmende Aufregung entgegnete Lay mit der Frage: »Wo war die Aufregung, als Hunderttausende aus der Wohnung geschmissen wurden und Hunderttausende ihre Mieterhöhung bekommen haben?«
Wohnen ist ein Grundrecht, und niemand sollte »damit Profit machen«, betonte auch Heike Sudmann, wohnungspolitische Sprecherin der Hamburger Linksfraktion. Sie kritisierte den von vielen angepriesenen »Drittelmix« des Hamburger Senats aus SPD und Grünen. Dahinter steht das Modell, dass ein Drittel der neu gebauten Wohnung in der Stadt öffentlich gefördert, ein Drittel frei finanziert und das letzte Drittel Eigentum ist. Das sei »völliger Irrsinn«, weil sich keine zwei Drittel der Bevölkerung teure Wohnungen leisten könnten, so Sudmann.
In zwei Podiusmdiskussionen und drei Workshops wurden unter der Moderation von Linke-Bundestagsabgeordneten Aspekte der gegenwärtigen Wohnungsnot beleuchtet. So leitete Lorenz Gösta Beutin einen Workshop, in dem es darum ging, wie energetische Sanierungen zum Klimaschutz beitragen können. »Wohnen darf keine Ware sein« war das Thema einer Runde unter dem Vorsitz von Victor Perli. Und Cornelia Möhring diskutierte mit Fachleuten über Lösungen im Kampf gegen die Wohnungslosigkeit.
Mit Chancen und Problemen einer Selbstorganisation von Mietern befasste sich eine Podiumsdiskussion unter dem Titel »Alle Macht den (Mieter*innen)Räten!«. Rolf Bosse vom Mieterverein zu Hamburg stellte fest, dass das deutsche Mietrecht eine Mitbestimmung der Mieter nicht vorsieht. Um sich gegen die »immer absurderen Verwertungsinteressen« der Vermieter durchzusetzen, helfe daher nur, sich mit anderen Bewohnern zusammenzutun.
Wie das aussehen kann, erläuterte Marie Schubenz vom Mieterrat des Gebäuderiegels am Kottbusser Tor in Berlin. Dieser sei 2016 gegründet worden, als die Anlage mit ihren knapp 300 Wohnungen an einen Investor verscherbelt werden sollte. 2017 habe die städtische Gewobag die Wohnungen übernommen. Die Kooperation mit dem Unternehmen sei zwar »sehr zäh«, so Schubenz, aber man verzeichne durchaus Erfolge, etwa bei der Gewerbeansiedlung. Für eine »Demokratisierung des Wohnens« sprach sich Achim Sommer vom Berliner Bündnis »Kommunal und selbstverwaltet Wohnen« aus. Ziel müsse es sein, das die sechs städtischen Wohnungsbauunternehmen Berlins verpflichtet würden, das Recht der Mieter auf Mitbestimmung zu verbriefen.
Beim »Mietenpolitischen Ratschlag« waren auch internationale Gäste. Lukas Tockner von der Arbeiterkammer Wien berichtete von dem Mitbestimmungsstatut, das es seit 1989 bei der»Wiener Wohnen« gibt, der mit rund 220.000 Wohnungen größten kommunalen Hausverwaltung Europas. Dieses erlaube den Mieterräten zum Beispiel, kostenlos Einblick in Betriebskostenabrechnungen zu nehmen, sagte Tockner. Die Mitbestimmung habe die Verwaltung für die Bewohner sensibilisiert. Aufpassen müsse man nur, so der Aktivist, dass die Räte nicht »von Nörglern gekapert werden«.