3. Soziale Gerechtigkeit und Teilhabe

3. Soziale Gerechtigkeit und Teilhabe

3.1 Inklusion und Barrierefreiheit

Inklusion betrifft uns alle persönlich. Die Bereitschaft der Gesellschaft und somit aller ihrer Mitglieder etwas zu ändern und gemeinsam einen Paradigmenwechsel herbeizuführen bietet eine Grundvoraussetzung für die Idee der Inklusion. Die Lebensentwürfe der Menschen sind heute so vielfältig wie noch nie, so dass der Versuch einer Definition von „Normalität“ in einer inklusiven Gesellschaft geradezu ausgeschlossen ist.

Aus unserer Sicht ist soziale Inklusion dann vollständig erfüllt, wenn jedes Individuum in der Gesellschaft vollständig akzeptiert wird und dadurch in jedem Bereich seines Lebens teilnehmen bzw. teilhaben kann. Jeder Mensch ist dabei ein vollkommen gleichwertiges Mitglied der Gesellschaft und das Vorhandensein von Unterschieden wird als Bereicherung verstanden. Inklusion ist ein Ziel bzw. Ideal, das nur schrittweise zu erreichen ist.

Eine Behinderung entsteht, wenn ein Mensch auf Barrieren in seiner Umwelt trifft. Barrierefreiheit bzw. Barrierearmut ist dann ein Instrument, um dem Betroffenen ein weitgehend selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

Kommunalpolitisch sehen wir uns vor folgenden Aufgabenstellungen:

  • Förderung der Aufklärung und Unterstützung im Bereich der Inklusion, denn das Thema betrifft nicht nur Experten, sondern jeden einzelnen Mensch in unserer Gesellschaft.
  • Große Barrieren befinden sich zumeist in den Köpfen der Menschen, aber in einer inklusiven Gesellschaft müssen neben den zwischenmenschlichen Grenzen auch technische und physische Schwellen abgebaut werden.
  • Bereits bei der Planung eines Gebäudes muss darauf geachtet werden, dass alle Bereiche barrierefrei gestaltet werden und nicht im Nachhinein ein Umbau stattfinden muss.
  • Umbau aller öffentlichen Einrichtungen gemäß der Zertifizierung „barrierefrei“ und die Einrichtung von Induktionsschleifen für Hörgeschädigte.
  • Weiterentwicklung einer inklusiven Pädagogik, die den Ansatz verfolgt, dass auch im Bereich der Bildung (Kindertagesstätten, Schulen etc.) ein Miteinander aller Kinder und Jugendlichen möglich ist und die Vielfalt von allen Schüler*innen und Lehrer*innen wertgeschätzt wird.
  • Finanzielle und personelle Ausstattung der Bildungseinrichtungen, um inklusive pädagogische und fachliche Arbeit überhaupt erst zu gewährleisten.
  • Behindertengerechte Anpassung der Verkehrsmittel des ÖPNV in Stadt und Landkreis.
  • Ausbau von (preiswerten) alters- und behindertengerechten Wohnungen, Förderung von betreutem Wohnen und Einrichtung einer zentralen Auskunftsstelle zur Vermittlung geeigneten Wohnraumes.
  • Analyse des zukünftig zu erwartenden Bedarfs an behinderten- und seniorengerechten Wohnungen erstellen.
  • Einhaltung der Schwerbehindertenquote in allen kommunalen Betrieben.
  • Relevante Formulare auch in „leichter Sprache“ erstellen.
  • Erstellung einer Bestandsaufnahme sowie einer qualitativen und quantitativen Bedarfsanalyse zu Teilhilfesystemen.
  • Regelmäßige qualifizierte Sozialberichterstattung mit Betroffenen.
  • Ausbau ambulanter sozialer Dienste für Menschen mit Behinderung.
  • Stärkung der Selbstbestimmungsrechte und –möglichkeiten behinderter Menschen.
  • Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention auf kommunaler Ebene.

3.2 Mobilität für alle – und bezahlbar!

Mobilität ist ein wesentlicher Bestandteil der kommunalen Daseinsvorsorge, der nicht vom Geldbeutel abhängen darf. Mobilität ist die Grundlage für die gesellschaftliche Teilhabe. Unsere Ziele sind, die Verkehrsvermeidung und ein Umsteigen vom Auto auf den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) oder das Fahrrad zu fördern. Wir streben daher einen sofortigen Null-Tarif für Schüler*innen, Auszubildende und Studierende sowie perspektivisch einen fahrscheinfreien und umlagefinanzierten ÖPNV für alle an. Eine Voraussetzung dafür ist eine Rekommunalisierung des ÖPNV. Zwischenschritte sind deutliche Umschichtungen zugunsten des ÖPNV und zulasten des Straßenverkehrs, eine Erhöhung der Attraktivität durch verdichtete ÖPNV-Taktzeiten und die Nutzung umweltfreundlicher Systeme.

Doch wie sieht die heutige Situation vor Ort aus? Wir erleben seit Jahren steigende Fahrscheinpreise. Sozialtarife, die diesem Namen gerecht werden, gibt es nicht. Besonders in den ländlichen Bereichen kommt man nach 20 Uhr kaum noch nach Hause. Auch für die Reparatur von Fahrradwegen ist angeblich kein Geld da. Dabei wäre vieles finanzierbar, wenn überflüssige Straßenbauprojekte gestrichen und die Einnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung erhöht werden.

Es gibt einen breiten gesellschaftlichen Konsens, dass insbesondere die Innenstädte von Ratzeburg, Mölln, Schwarzenbek, Geesthacht und Lauenburg Verkehrsberuhigungsmaßnahmen dringend nötig haben. Aber häufig scheint die einzige Lösung der Bau einer Umgehungsstraße zu sein.

Wir haben auch kein Patentrezept in der Schublade. Was wir uns wünschen, ist ein ergebnisoffener Dialog mit allen Akteuren. Wie belastend empfinden die Einwohnerinnen und Einwohner die Situation in ihrer Stadt? Welche Vorstellungen haben die ansässigen Einzelhändler? Wie haben sich das Verkehrsaufkommen sowie die Lärm- und Luftbelastung durch bisherige Maßnahmen verändert? Gibt es rechtliche Möglichkeiten den LKW-Durchgangsverkehr auch ohne eine Umgehungsstraße aus den Städten zu verbannen? Dies wären lediglich ein paar Fragen, die schnellstmöglich geklärt werden sollten.

Aus unserer Sicht ist es aber auch wichtig, schnelle Lösungen für eine Verkehrsentlastung auf den Weg zu bringen. Neben den Durchgangsverkehren spielt häufig auch das hausgemachte Verkehrsaufkommen eine entscheidende Rolle. Ein Null-Tarif für Schüler*innen, Studierende und Auszubildende könnte viele für einen Umstieg vom Mama-Taxi oder dem eigenen PKW auf einen engmaschig getakteten ÖPNV motivieren. Ein gut ausgebautes Radwegenetz mit Verleihstationen an öffentlichen Plätzen wie Bahnhöfen, Märkten, Schulzentren etc. könnten sowohl für Einwohner*innen, als auch für Touristen attraktiv sein. Innovative Projekte wie ein autonom fahrender E-Shuttel-Bus, der demnächst in Lauenburg erprobt wird, können das Ergebnis eines breit angelegten Diskussionsprozesses zwischen Politik, Bevölkerung und den verschiedenen Interessenvertretungen in anderen Städten darstellen.

Unsere Ziele in der Kommunalpolitik:

  • Null-Tarif für Schüler*innen, Studierende und Auszubildende als Einstieg in einen fahrscheinlosen, umlagefinanzierten und rekommunalisierten ÖPNV für alle.
  • Testweise Einführung des entgeltfreien ÖPNV zu besonderen Anlässen wie Wahlen, Jahrmärkten und verkaufsoffenen Sonntagen.
  • Sofortige Einführung eines Sozialtickets für Hartz-IV-Betroffene, Geflüchtete und weitere finanzschwache Menschen in Höhe von maximal 25 €  monatlich.
  • Die umgehende Angebotserweiterung des ÖPNV durch engere Taktzeiten, eine bessere Anbindung des ländlichen Raumes auch am Abend und am Wochenende sowie ein Angebot von öffentlichen Anrufsammel-Taxis und Frauen-Nacht-Taxis.
  • Die weitgehende Vermeidung des Straßenaus- und Straßenneubaus.
  • Ausbau des Radwegenetzes mit einem öffentlichen Fahrrad-Verleih-System.
  • Ausbau des Schienennetzes (Achse HL-RZ-Mölln und HH-Geesthacht-Lauenburg).

3.3 Asylrecht verteidigen, Fluchtursachen bekämpfen – keine „Obergrenzen“

Das Recht auf Asyl kennt keine wie auch immer verklausulierten Obergrenzen. Gleichzeitig sind eine vollkommene Freizügigkeit und „offene Grenzen für alle“ in einem globalen System konkurrierender Nationalstaaten nette Vorstellungen, die aber mit der Realität in unserer Gesellschaft wenig zu tun haben.

Beim Thema Migration muss es daher in erster Linie um die Verteidigung und den Ausbau des Asylrechtes, die Beseitigung von Fluchtursachen und humanitäre Hilfe für Regionen gehen, die am stärksten von Migrationsbewegungen betroffen sind. Dies sind in der Regel die Nachbarländer von Konfliktregionen. Um dem Sterben im Mittelmeer ein Ende zu bereiten ist es aber genauso wichtig, sichere Fluchtwege anzubieten, damit Menschen in Not sicher und legal nach Europa einreisen können.

Stattdessen erleben wir das genaue Gegenteil: Sowohl die Genfer Menschenrechts- als auch die UN-Kinderrechtskonventionen und das Recht auf Asyl werden u. a. durch die Ausweisung so genannter sicherer Herkunftsstaaten und durch die Einschränkung des Familiennachzuges Schritt für Schritt demontiert. Die wirtschaftliche Ausbeutung der Entwicklungsländer geht unvermindert weiter, undemokratische Regime werden hofiert und die Rüstungsexporte in Konfliktregionen erzielen Rekordwerte. Gleichzeitig betreibt Europa eine Abschottungspolitik und sieht tatenlos zu, wie sich an den Außengrenzen ein System von Ausbeutung, Menschenhandel und Sklaverei etabliert.

Solidarität statt Hass

Auf kommunaler Eben können wir an dem eigentlichen Dilemma wenig ändern. Aber Kommunen sind der Ort, an dem antirassistisches Engagement und Solidarität konkret werden, in denen Begegnung stattfindet, die Teilhabe von Migrant*innen ermöglicht oder eben auch erschwert wird. Wir stärken freiwilligen Initiativen den Rücken. Wir setzen uns gegen Abschiebungen und für die verstärkte Teilhabe sowie den Abbau von Barrieren beim Spracherwerb oder bei der Ausbildung ein. Dabei darf die Öffentliche Hand nicht aus ihrer Pflicht entlassen werden.

Kommunen, die ausreichend Reservekapazitäten für Unterkünfte und Integrationseinrichtungen zur Verfügung stellen, darf dadurch kein wirtschaftlicher Nachteil entstehen. Hier sind das Land und der Bund in der Pflicht, entsprechende Ausgleichszahlungen auch bei einem zeitweisen Leerstand der Einrichtungen zu leisten.

Unsere Ziele in der Kommunalpolitik:

  • Unterbringung von Geflüchteten in Wohnungen statt in Massenunterkünften.
  • Gegen Abschiebungen in so genannte „sichere Herkunftsstaaten“, keine Abschiebeknäste! Flucht ist kein Verbrechen!
  • Angebote zur Unterstützung und Koordination von freiwilligen Initiativen durch die Kommunen.
  • Schaffung bzw. Ausbau von Intergrations- und Sprachkursen für alleGeflüchteten – unabhängig von deren Aufenthaltsstatus.
  • Ausweitung der finanziellen Unterstützung der Kommunen durch Land und Bund.

3.4 Ältere Menschen: Würdevoll altern

Senior*innen wollen und sollen gemeinsam mit den Jüngeren generationsübergreifend an allen sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und bürgerlichen Belangen der Gemeinde teilhaben können. Wir leben in einer Gesellschaft, in der immer mehr Menschen ein hohes Alter erreichen, aber immer weniger Bedingungen für ein erfreuliches und würdevolles Altern gegeben sind. Die Mobilität nimmt im Alter ab, die Notwendigkeit ärztlicher Behandlung oder pflegerischer Versorgung nimmt andererseits zu. Der vielfach schlechte Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, Ärzt*innenmangel und unzureichend ambulante Pflegeeinrichtungen werden dem nicht gerecht. Ebenso wird zu wenig für gesunde und agile ältere Menschen getan.

Ältere Menschen verfügen über reiches Wissen und interessante Lebenserfahrungen. Sie wollen ihr Leben individuell gestalten und sich in der Gemeinschaft engagieren. Sie müssen nach Zeiten der Erwerbsarbeit selbstbestimmt und würdevoll leben können. Eine auskömmliche Rente, gute Gesundheitsversorgung und ein altersgerechtes Wohnumfeld, welches einem erhöhten Sicherheitsbedürfnis genügt, sind Voraussetzungen für eine neue Kultur des Alters und des Alterns. Doch Alter ist mehr als Rente, Gesundheitsvorsorge, Pflege und Kosten. Ein Umdenken in den Medien, der Politik, der Wirtschaft und der Gesellschaft muss sich dem ganzen Alltag einer älter werdenden Gesellschaft und den Herausforderungen des hohen Alters widmen. Wir setzen auf einen lebendigen Zusammenhalt der Generationen, auf mehr gesellschaftliche Teilhabe und Mitbestimmung.

Unsere Ziele in der Kommunalpolitik:

  • Wir unterstützen deshalb den Wunsch älterer Menschen, auch in der späten Lebensphase an ihrem Wohnort wohnen zu bleiben.
  • Eine Kommunalpolitik, die gegen Altersarmut, Vereinsamung und Entsolidarisierung vorgeht.
  • Ambulant vor stationär: den Ausbau ambulanter Pflegedienste und Einrichtungen der Tagespflege, insbesondere psychiatrische Hilfen für die Probleme älterer Menschen.
  • Mehr Mehrgenerationenhäuser und Hilfe sowie Unterstützung zur Umsetzung von Wohngemeinschaften für Senior*innen.
  • Mieten müssen bezahlbar sein, Mietnebenkosten müssen gesenkt werden. Keine Rentner*in soll ihre Wohnung verlassen müssen, weil die Rente nicht mehr für die Miete reicht.
  • Barrierefreiheit und gute Verkehrsanbindung sowie Erschwinglichkeit und Zugänglichkeit kultureller Angebote, Freizeit- und Sporteinrichtungen.
  • Wir sind für die Schaffung altersgerechter Wohnungen zu bezahlbaren Preisen.
  • Es müssen mehr alten- und behindertengerechte Wohnungen zentrumsnah in einem lebenswerten Umfeld mit ausreichender Nahversorgung angeboten werden.
  • Einrichtung kommunaler Altenpflegeplätze die unabhängig von Einkommen und Vermögen der Betroffenen in Anspruch genommen werden können.

3.5 Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft

Kinder und Jugendliche haben wie Erwachsene die gleichen Grundrechte auf gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe. Trotzdem wird insbesondere die Kinder- und Jugendpolitik mit dem Hinweis auf leere Kassen stark vernachlässigt. Die Zahl der in Armut aufwachsenden Kinder steigt ständig. Diese Armut und die damit verbundenen prekären Lebensbedingungen führen zur Erfahrung von sozialer Diskriminierung schon im frühesten Alter. Leider sind ihre Entwicklungschancen stark von den finanziellen Rahmenbedingungen ihrer Eltern vorbestimmt. Die Schaffung sozialräumlicher Strukturen (Mittagstisch, Hausaufgabenhilfe, Freizeitangebote etc.) darf nicht dazu führen, dass Unterstützungsangebote wie Erziehungsbeistandschaft und Familienhilfe massiv eingeschränkt werden.

Unsere Ziele in der Kommunalpolitik:

  • Der Kreis erstellt und veröffentlicht zusammen mit den Gewerkschaften, dem Kreisjugendring, Sozialverbänden und interessierten Akteuren jährlich einen regionalen Armutsbericht unter besonderer Berücksichtigung der Kinderarmut. Hieraus sind entsprechende Konsequenzen zu ziehen.
  • Eine gute personelle und sachmittelbezogene Ausstattung von Einrichtungen der Jugendarbeit und Öffnungszeiten, die den jeweiligen Anforderungen entsprechen.
  • Den Einbezug der Jugendlichen in die Verwaltung von Jugendfreizeiteinrichtungen bis hin zur Selbstverwaltung.
  • Ausweitung der Mitbestimmung durch obligatorische Kinder- und Jugendbeiräte, die mit eigenen Etats zur selbstbestimmten Umsetzung von Projekten ausgestattet werden.