Carsten Friederichs, Kreissprecher
Teil 1: Investitionsschutzabkommen
Der Bau des Vattenfall-Kohlekraftwerks in Hamburg-Moorburg war in den Jahren 2006 bis 2009 heftig umstritten. 2008 entschloss sich der rot-grüne Senat, den Bau unter strengen Umweltauflagen zu genehmigen. Dagegen setzte Vattenfall ein juristisches Mittel ein, das alle politisch Beteiligten völlig überrumpelte:
Vattenfall klagte gegen die Bundesrepublik für einen Schadensersatz von 1,2 Mrd. Euro auf Grund der „Energie-Charta“, ein seit 1998 existierendes Investitionsschutzabkommen, in dem sich in einem sehr auslegungsfähigem Text vor allem europäische Länder bestätigen, dass die Investitionen der Unternehmen des jeweils anderen Landes „vollen Schutz“ genießen und fair behandelt werden. Im Vertragswerk ist das „Schiedsgerichtsverfahren“ verankert, das die staatliche Gerichtsbarkeit ausschließt. Jede der Parteien engagiert einen dafür zugelassenen Rechtsanwalt und ein weiterer Anwalt fungiert als „Unparteiischer Schiedsrichter“. Klagen und Verhandlungen werden streng geheim vor dem ICSID (Deutsch: „Internationales Zentrum für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten“) geführt, meistens in Washington. Zur Zeit laufen dort 185 solcher Verfahren. Ergebnis damals für Vattenfall : Die Bundesregierung lenkte ein, das KKW Moorburg konnte ohne Auflagen gebaut werden.
Deutsche Unternehmen, wie zum Beispiel EON und RWE müssen einen langen Klageweg über das Bundesverfassungsgericht mit zweifelhaftem Ausgang einschlagen.
Außer in solchen europäischen Vertragswerken hat die Bundesrepublik mit 131 Ländern derartige bilaterale Investitionsschutzabkommen, die teilweise schon Jahrzehnte bestehen und längst in Vergessenheit geraten waren. Weltweit gibt es über 3 000 solcher Abkommen. Sie alle stellen nun ein so erfolgreiches Instrument dar, die staatlich- gesetzliche Rechtsprechung durch ein durchaus beeinflussbares „privates“ Verfahren zu ersetzen, dass es zunehmend mehr in Anspruch genommen wird und findige Anwälte immer neue Auslegungen der Vertragstexte entwickeln. Vattenfall hat längst wieder eine Klage gegen die Bundesrepublik eingereicht und fordert 3,7 Mrd. Euro Schadensersatz für die gesetzlich erzwungene Schließung seiner Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel. Die Chancen, abermals zu gewinnen, stehen gut! Wegen Protesten aus der Bevölkerung hat die kanadische Regierung einem USA- Unternehmen das Fracking in Kanada verboten. Resultat: Schiedsgericht-Klage für 250 Mio. Dollar Schadensersatz. Und die Liste solcher Verfahren wird schnell länger.
Ein mit solchen Verfahren reich gewordener amerikanischer Rechtsanwalt erwägt, ein handelbares Börsenpapier zu entwickeln aus Schadensersatzklagen, so können Unternehmen auf positive Schadensersatzklagen spekulieren, und der Preis für die Papiere steigt und steigt…
Quellen: DIE ZEIT: Schattenjustiz Im Namen des Geldes
http://www.zeit.de/2014/10/investitionsschutz-schiedsgericht-icsid-schattenjustiz
DIS Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. http://www.dis-arb.de/de/53/bit/uebersicht-id0
WDR Monitor : Geheimes Parallelrecht)
http://www.wdr.de/tv/monitor/sendungen/2013/0606/recht.php5
Für die Verhandlungen von Kanada und den USA mit der EU für sogenannte „Freihandelsabkommen“ und die weltweit schon existierenden Abkommen sind die Vertragswerke der „Investitionsschutz- abkommen“ das Vorbild. Auch die geschilderten geheimen Schiedsgerichtsverfahren finden hier Anwendung.
Darüber mehr im Teil 2 (demnächst)
Die Linke KV Herzogtum Lauenburg Carsten Friederichs 22.04.2014