Müll-Chaos – und kein Ende in Sicht


Volker Hutfils, Kreissprecher DIE LINKE. KV Hzgt. Lauenburg

Redaktion DIE LINKE:

Vor dem Hintergrund des Müll-Chaos in den Kreisen Herzogtum Lauenburg und Stormarn fordert ihr, dass die Müllabfuhr künftig wieder durch die Kommune erfolgen soll. Warum seid ihr gegen die Privatisierung?

Volker:

Die aktuellen Probleme bei der Müllabfuhr machen deutlich, welche Folgen die Privatisierung öffentlicher Aufgaben haben kann. Die privaten Unternehmen stehen untereinander in Konkurrenz und müssen daher versuchen sich durch niedrige Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen einen Wettbewerbsvorteil zu sichern. Schließlich bekommt in der Regel der billigste Anbieter den Zuschlag bei einer öffentlichen Ausschreibung.

Redaktion DIE LINKE:

Aber durch die günstigen Preise werden die Gebühren für die Müllabfuhr niedrig gehalten. Das ist doch eine gute Sache.

Volker:

Niedrige Gebühren für kommunale Leistungen sind natürlich zu begrüßen. Aber wenn jetzt z. B. Transportleistungen bei anderen Anbietern dazugekauft werden müssen, wird das am Ende wieder auf die Müllgebühren aufgeschlagen. Die Zeche zahlen am Ende immer die Verbraucher*innen. Die Frage ist nur, ob das Geld in der Kommune bleibt, oder sich auch noch ein privater Unternehmer davon die Taschen füllt. Und außerdem erhöht Lohndumping in einem Segment des Arbeitsmarktes den Druck auf alle lohnabhängig Beschäftigten und führt zu einem weiteren Auseinanderklaffen der Schere zwischen Arm und Reich. Wir sagen „Fairer Service – faire Löhne!“. Wenn wir wollen, dass unser Müll zuverlässig abgeholt wird, müssen wir den Menschen, die bei Wind und Wetter für uns unterwegs sind, auch einen angemessenen Lohn dafür zahlen. Die derzeitige Krise bei der Müllabfuhr wird auf dem Rücken der Müllwerker und der Bevölkerung ausgetragen, obwohl beide Seiten daran absolut keine Schuld trifft.

Redaktion DIE LINKE:

Und wer ist dann schuld?

Volker:

In erster Linie natürlich das von der AWSH beauftragte Unternehmen, die Grabauer Entsorgungsgesellschaft (GEG), weil sie ihre vertraglichen Leistungen nicht erfüllt. Hinzu kommen aber ein schlechtes Krisenmanagement bei der Geschäftsführung und dem Aufsichtsrat der AWSH sowie Mängel bei der Ausschreibung der Leistungen, bei der man mindesten „Tarif-Treue“ hätte fordern müssen. Dafür muss die Kommunalpolitik zur Verantwortung gezogen werden. Deshalb unsere Protest-Postkarten-Aktion „Es stinkt zum Himmel“.

Redaktion DIE LINKE:

In den „Lübecker Nachrichten“ (LN) konnte man lesen, dass die Grippewelle mit verantwortlich für die Probleme ist. Der LINKEN wird vorgeworfen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse hierzu ignoriert werden.

Volker:

Natürlich haben wir die starke Grippewelle in diesem Frühjahr auf dem Schirm. Wir sind ja keine Verschwörungstheoretiker, wie unsere Konkurrenz vom rechten Rand. Aber welches Unternehmen hat dadurch einen Leistungsrückstand von über einer Woche erfahren und diesen auch nach mehreren Monaten nicht wieder ab gebaut? Das passiert nur bei Unternehmen, die ihre Arbeitnehmer*innen ohnehin schon am Leistungsmaximum malochen lassen und über keine weiteren betrieblichen Reserven verfügen, um Krisen abzufedern.

Redaktion DIE LINKE:

Die LN führen das Beispiel der Verkehrsabteilung des Kreises an – eine öffentliche Einrichtung!

Volker:

Ja, dort ist es zu Wartezeiten von drei Stunden gekommen. Das ist doch lächerlich: Wenn sich die Müllabfuhr um drei Stunden verspäten würde, gäbe es vermutlich nicht einen Presseartikel dazu. Wir reden hier über mehrere Tage, an denen die Müllbehälter voll an der Straße stehen. Bei den vorherrschenden klimatischen Bedingungen eine Zumutung. Außerdem ist hinlänglich bekannt, dass die Personaldecke bei der Verkehrsabteilung nicht ausreicht. Hier kommt der Kreis seinen Verpflichtungen auch nicht nach.

Redaktion DIE LINKE:

Und die gestiegene Zahl der Mülltonnenleerungen? Dazu gibt es auch eine imposante Grafik bei der LN.

Volker:

Die AWSH führt aus ökologischen und ökonomischen Gründen seit Jahren eine Kampagne zur Steigerung des Anteils des Biomülls. Diese zusätzlichen Abfallbehälter waren also gewollt und sind nicht vom Himmel gefallen. Hier hätte man genügend Zeit gehabt, sich darauf einzustellen.

Redaktion DIE LINKE:

Ihr fordert die Rekommunalisierung der Müllabfuhr. Entweder mit dem Auslaufen der Verträge Ende 2020 oder sofort, durch eine „freundliche“ Übernahme. Die LN berichtet, dass es solche Überlegungen bei der AWSH und dem Kreis bereits gibt.

Volker:

Was dort zurzeit hinter verschlossenen Türen ausgeheckt wird, weiß keiner so genau. Selbst unsere Kreistagsabgeordneten dürfen uns keine detaillierten Auskünfte geben, da die Sachen in „nicht öffentlichen“ Sitzungen besprochen werden. Bei einem Thema, dass nahezu alle Menschen in der Region betrifft, ist diese Geheimniskrämerei völlig fehl am Platz. Jedenfalls sind wir bisher die einzige Partei, die sich öffentlich für eine dauerhafte Rekommunalisierung der Müllabfuhr ausgesprochen hat – und das ohne Wenn und Aber!

Redaktion DIE LINKE:

Also ein Mangel an Transparenz?

Volker:

Natürlich! Daran, das einige Themen aus rechtlichen Gründen unter Ausschluss der Öffentlichkeit behandelt werden müssen, werden wir wohl so schnell nichts ändern können. Das entbindet die Verantwortlichen im Kreis jedoch nicht davon, die Bevölkerung umfassend über die aktuelle Situation, die geplante Vorgehensweise und mögliche Konsequenzen aufzuklären. Das geschieht jedoch nicht. Wir wollen Politik nicht nur für die Menschen, sondern auch mit den Menschen gestalten. Das ist auch ein Grund für unsere Protest-Postkarten-Aktion.

Redaktion DIE LINKE:

Was sagst du zur Berichterstattung der LN?

Volker:

Ich finde es befremdlich, wenn sich eine als „überparteilich“ und „unabhängig“ bezeichnende Zeitung zu lokalpolitischen Themen klar zu einer Seite positioniert und dies dann noch mit vermeintlich neutralen „Fakten-Checks“ untermauern will. So geschehen bei dem Thema „Kanalausbau“, bei dem der BUND als Gegner ausgemacht wurde und nun beim „Müll-Chaos“, bei dem DIE LINKE offensichtlich ins Visier dieser Zeitung geraten ist. Eine inhaltliche Auseinandersetzung wäre ja eigentlich Aufgabe des politischen Gegners, aber dort ist offensichtlich gerade Sommerpause.

Doch wenn ein Redakteur gleichzeitig einer Partei angehört, die vom Grundsatz her für Privatisierung steht, fällt es natürlich schwer, eine neutrale Berichterstattung zu gewährleisten.

Redaktion DIE LINKE:

Wir danken dir für dieses Gespräch