Rechte Umtriebe in Ratzeburg

Etliche Autos und Gebäude in Ratzeburg wurden über Nacht mit Nazi-Parolen und Morddrohungen gegen AntifaschistInnen besprüht. Als Protest gegen die Nazi-Schmierereien versammelten sich Antifaschistinnen und Antifaschisten spontan auf dem Ratzeburger Markt und sammelten Unterschriften für eine NPD-Verbot.

Weitestgehend abseits der medialen Öffentlichkeit ist es in Ratzeburg in den letzten Jahren immer wieder zu Aktivitäten der extrem rechten Szene gekommen. So wurden Menschen, die nicht in das völkische Weltbild der Neofaschisten passen, verbal und tätlich angegriffen, in einer Nazi-Wohngemeinschaft im Ortskern fanden regelmäßig überregionale Treffen statt und auf der Internetplattform der sogenannten „Nationale Sozialisten – Offensive Herzogtum Lauenburg“ (NaSo-Lb) wurde der Ratzeburger Marktplatz zu einer „national befreiten Zone“ erklärt, um hier nur einige Beispiele zu nennen.

In der Silvesternacht wurden aus einer Gruppe von Neonazis heraus der „Hitler-Gruß“ gezeigt und „Sieg-Heil-Rufe“ skandiert. Beim Einschreiten der Polizei leistete die Gruppe erheblichen Widerstand. Zwei Beamte wurden verletzt, drei Täter vorübergehend festgenommen. Nach Polizeiangaben gehörten die Täter nicht der lokalen Szene an, sondern stammten aus Mecklenburg.

Mitte Januar wurden dann über Nacht zahlreiche Gebäude und Autos in Ratzeburg mit Nazi-Parolen beschmiert. Neben Israel-feindlichen Sprüchen wurde dazu aufgerufen die Pröpstin, den Bürgermeister, den Fraktionschef der LINKEN und andere Menschen, die sich aktiv der rechten Szene in Ratzeburg entgegen stellen, zu töten!

Diese Morddrohungen gegen Personen des öffentlichen Lebens stellen für Ratzeburg eine neue Qualität dar und dürfen nicht bagatellisiert werden. Auch wenn es sich vermutlich „nur“ um Wichtigtuer innerhalb der rechten Szene handelt, die auf der breiten Welle der Empörung nach dem Bekanntwerden der Mordserie der „Zwickauer Terrorzelle“ eine öffentlichkeitswirksame Aktion starten wollten. Und dies ist ihnen auch gelungen:

So untersagte die Stadtverwaltung nach Abstimmung mit der örtlichen Polizei dem Ortsverband der Linkspartei einen bereits seit langem angemeldeten Infostand für den Samstag nach der Spray-Aktion. Als Begründung wurde angegeben, dass man nicht für die Sicherheit der Teilnehmer garantieren könne und man die rechte Szene nicht weiter provozieren wolle.

Da man dem braunen Mopp aber nicht die Straße überlassen wollte, beschlossen Mitglieder der LINKEN, unterstützt von Aktivistinnen und Aktivisten der lokalen Antifa und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), spontan eine Unterschriftensammlung für die bundesweite nonpd-Kampagne der VVN auf dem angeblich „national befreiten“ Marktplatz durchzuführen. In kürzester Zeit wurden knapp 100 Unterschriften für ein NPD-Verbot gesammelt.

Ein paar Tage später traf sich in Ratzeburg eine Gruppe jugendlicher Antifaschistinnen und Antifaschisten, um mit bunter Kreide ein sichtbares Zeichen gegen die Nazi-Schmierereien zu setzen. Die gesamte Ratzeburger Innenstadt wurde mit bunten Friedenssymbolen und Sprüchen wie „Kein Sex mit Nazis“ oder „Ratzeburg ist bunt“ verziert.

Eine Woche später rief dann auch die Stadtvertretung die Bevölkerung parteiübergreifend zu einem „stillen Protest“ auf. Trotz Dauerregen und Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt versammelten sich daraufhin fast 500 Menschen aus Ratzeburg und Umgebung auf dem Marktplatz, um dem Protest gegen die Nazi-Umtriebe ein Gesicht zu geben. Nur einer gleichzeitig stattfindenden Mal- und Plakataktion des Lauenburgischen Kunstvereines war es zu verdanken, dass aus dem geplanten „stillen Protest“ eine lebhafte und bunte Kundgebung wurde, die ein deutliches Zeichen der Solidarität für alle Opfer von rechter Gewalt und Verfolgung setzte.

Im Zuge der polizeilichen Ermittlungen gegen die immer noch unbekannten Sprayer wurde auch die eingangs erwähnte Nazi-WG in der Langenbrücker Straße durchsucht. Nach Auskunft der Polizei haben die Täter einen engen Bezug zu dem durchsuchten Haus.

Besonders in Ratzeburg scheint Widerstand gegen die rechte Szene nötiger denn je. Allein drei Kandidaten der NPD für die Landtagswahl stammen aus der Kreisstadt. Dies sind der wegen schwerer Brandstiftung und versuchten Mordes vorbestrafte Heino Förster, Sven W. von der NaSo-Lb und der bisher wenig in Erscheinung getretene Peter Schlabes.

Proteste wie der in Ratzeburg und die vielen Veranstaltungen nach dem Bekannt werden der Mordserie der „Zwickauer Terrorzelle“ sind richtig und wichtig. Jedoch darf man dabei nicht übersehen, dass es sich zum einen nur um die sichtbare Spitze eines braunen Eisberges handelt und es andererseits auch relativ einfach ist, eine Mehrheit der Bevölkerung gegen Mörderbanden und Morddrohungen gegen Bürgermeister und Kirchenvertreterinnen hinter sich zu bringen. Kaum jemand würde sich öffentlich diesem Proteste entziehen.

Die eigentliche Gefahr für unsere Gesellschaft geht aber nicht von drei Rechtsterroristen oder ein paar  faschistoiden Sprayern aus. Ausländerfeindlichkeit, Rassismus, Intoleranz und die heimliche Sehnsucht nach einer starken führenden Hand reichen leider bis weit in die Mitte der Gesellschaft hinein. Hier finden die Neofaschisten ein fruchtbares Umfeld, um in Ruhe ihr rechtes Netzwerk aus sogenannten „Freien Kameradschaften“, „Autonomen Nationalisten“ und Organisationen wie der NPD zu knüpfen und neue Kampfgefährten zu rekrutieren.

Dieses gesellschaftliche Klima ist Ausdruck einer zunehmend auf Profit orientierten Ökonomie, in der die sozialen Sicherungssysteme immer weiter zurück gefahren werden. Dies führt zu einer Entsolidarisierung, zu sozialer Spaltung und schafft Ängste. Hier muss antifaschistische Arbeit ansetzen, um den rechten Ideologen ein für alle Mal den Nährboden zu entziehen. Wichtig sind aber auch Aufklärungsarbeit über die Ziele und Strukturen der Rechten sowie der alltägliche Einsatz für mehr Solidarität wie es z. B. das Ratzeburger Bündnis gegen Rechts und eine Vielzahl von Projekten im Rahmen des „Lokalen Aktionsplanes für Demokratie und Toleranz“ leisten.